Kröpftelding / Liedermacher Senke (kd24) – „Numskull“ verlassen gerade die Bühne. Im Publikum recken sich hunderte begeisterte Arme in die Luft und Hände wackeln wie wild lautlos im Halbkreis: Riesenapplaus. Trotz dieses enthusiastischen Applauses ist nur das Vogelgezwitscher in der Liedermacher Senke zwischen Alt- und Neu-Kröpftelding zu vernehmen. Trotz verschwitzter Leiber, die alles auf der Bühne geben, hört man nur den Wind, der das umgebende Buschwerk zerzaust. Vor der Bühne feiern hunderte begeisterte Deaf-Metal-Fans in aller Stille. Das war das Szenario des weltweit ersten Deaf-Metal-Festivals, das die Kröpfteldinger Gehörlosenvereinigung (KGV) am vergangenen Wochenende veranstaltet hat.
Das Who is who des Deaf Metal
Alles was in der Deaf-Metal-Szene Rang und Namen hat gab sich in den drei Festivaltagen in der Liedermacher Senke die Ehre. Neben vielen regionalen Deaf-Acts waren auch die großen Headliner am Start. „Numskull“, „Wall Rock“, „Dead Rock“ und „Dead Tide“ lauteten die Höhepunkte an den vier Festivaltagen. „Das was hier abgging hat alle unsere Erwartungen übertroffen.“ Schildert Alfred Amboss (Präsident des KGV) sichtlich beeindruckt. Er verweist auf den Publikumszuspruch und ergänzt: „Gehörlose aus dem gesamten Bundesgebiet und dem nahen und fernen Ausland sind hier. Wir waren bereits nach wenigen Tagen restlos ausverkauft. Auch die Top-Acts der Deaf-Metal-Szene hatten wir hier vor Ort. So was können nicht viele Veranstalter von sich behaupten. Wir konnten den Besuchern vom frühen Nachmittag bis in die späten Nachtstunden Deaf Metal vom Feinsten bieten.“
Veranstaltung als Win-Win-Situation
Anders als bei Events ähnlicher Art geht die Lärmbelästigung beim Deaf Metal gegen Null. „Wir benötigten lediglich eine Bühne, Platz für die Zuschauer und eine Lichtanlage.“ erläutert der bekannte Konzertveranstalter Swantje Wegsack von der Agentur „Turbo Trash“ das Setting. „Alle Bands spielten auf lautlosen Instrumenten, wie z. B. Luftgitarren und Deaf-Drums. Mehrere Gebärdendolmetscher ersetzten zusätzlich die Gesangsanlage, so dass Anwohner und Natur keinerlei Lärmbelästigung ausgeliefert waren. Das erlaubte uns sogar hier bis spät in die Nacht Party zu machen.“
Auch die erwähnten Anwohner sind begeistert. „Endlich mal eine Veranstaltung ohne die übliche nächtliche Ruhestörung!“ bestätigt erleichtert Jessica Siebentaub, deren Grundstück unmittelbar an das Festivalareal grenzt. Joachim Yoguleit, Betreiber des nahegelegenen Yogastudios „Sonnengruß“ zieht sogar Nutzen aus dem Festival: „Ich hatte gezielt mehrere Yoga-Outdoor-Seminare auf das Festival-Wochenende gelegt. Das eintönige Gemurmel der Festivalbesucher hat so eine meditative Wirkung. Besser kriegt das keine Yogi-MP3 hin.“
Fortsetzung geplant
Begeistert vom Erfolg der Veranstaltung blickt Alfred Amboss schon auf kommendes Jahr: „Das wollen wir auf jeden Fall hier als ständiges Event etablieren. Wir haben auch weitere Ideen, das Ganze für Besucher und Anwohner noch attraktiver zu machen. So sind wir unter anderem in Verhandlungen mit dem Veranstalter der Luftgitarren-Weltmeisterschaft im finnischen Oulu, um die Luftgitarren-WM im kommenden Jahr nach Kröpftelding zu holen oder zumindest als offizieller Qualifikationsstandort für die WM zu fungieren.“